Importstopp für russisches Erdgas: Kann Flüssiggas Erdgas ersetzen?

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Erfahren Sie mehr über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Flüssiggas und Erdgas sowie über die Vor- und Nachteile der einzelnen Kraftstoffarten.

Erdgas
  • Deutschland ist der größte Erdgasverbraucher in der EU.
  • Erdgas besteht aus Methan, während Flüssiggas (LNG) ein Gemisch aus Butan und Propan ist. Letzteres wird als Flüssigkeit gelagert, während Erdgas in der Regel als komprimiertes Gas gelagert wird.
  • Flüssiggas bildet ein Nebenprodukt der Rohölraffination und der Erdgasverarbeitung.

Deutschland ist der größte Erdgasverbraucher in der EU. Im Jahr 2020 verbrauchte Deutschland zum Beispiel rund 86,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Aufgrund des Importstopps für russisches Erdgas wird nun nach Alternativen gesucht, darunter Flüssiggas. Doch was genau ist Erdgas bzw. Flüssiggas, wie entsteht es und wo liegen die Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten? All das erfahren Sie hier!

Was genau ist Erdgas und wie kann es gewonnen werden?

Erdgas ist ein Kohlenwasserstoff-Gasgemisch, das hauptsächlich aus Methan, aber auch aus Ethan, Propan, Butan und Pentan besteht. Es wird in unterirdischen Gesteinsformationen oder in Verbindung mit anderen Kohlenwasserstoff-Lagerstätten in Kohleflözen und als Methan-Clathrate gefunden.

Erdgas kann auf verschiedene Arten aus dem Boden gewonnen werden. Die gängigste Methode ist das Bohren nach Erdgas mit einer Technik namens Fracking. Dabei wird ein Hochdruckgemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in das Gestein gepresst, um das darin eingeschlossene Gas freizusetzen.

Eine andere Möglichkeit, nach Erdgas zu bohren, ist die Gewinnung aus Schieferformationen. Diese Methode kann wegen der möglichen Umweltschäden umstritten und kostspielig sein. Das Rohgas muss zudem eine Aufbereitung durchlaufen, um nicht brennbare, giftige, korrosive Bestandteile oder die Methananreicherung herauszufiltern.

Woher stammt Erdgas?

Erdgas stammt aus zwei Hauptquellen: aus fossilen Quellen und als Nebenprodukt bei der Zersetzung von organischem Material. Man geht davon aus, dass Erdgas überwiegend fossilen Ursprungs ist, wobei vielleicht bis zu 40 Prozent des Erdgases aus der Zersetzung organischer Stoffe stammen. Es wird angenommen, dass die Methankomponente des Erdgases aus einer Vielzahl von Quellen stammt.

Ein Teil des Methans im Erdgas ist thermogen, d. h. es wurde durch die Einwirkung von Wärme auf organisches Material über lange Zeiträume (in der Regel 1-3 Milliarden Jahre) erzeugt. Diese Art von Methan findet sich in der Regel in tiefen unterirdischen Lagerstätten und ist oft das Ziel der kommerziellen Erdgasförderung.

Methan kann auch biogenen Ursprungs sein. Diese Art von Methan entsteht bei der Zersetzung von organischem Material, z. B. in Sümpfen und Deponien, und wird normalerweise in geringeren Tiefen als thermogenes Methan gefunden.

Was sind die Vorteile von Erdgas?

  • Es ist ein sehr vielseitiger Brennstoff und kann für eine Vielzahl von Zwecken verwendet werden, darunter Heizen, Kühlen, Kochen und Stromerzeugung.
  • Erdgas wird oft als sauberer fossiler Brennstoff angesehen als Kohle oder Öl, weil es weniger Kohlendioxid (CO2), Schwefeldioxid (SO2) und Stickoxide (NOx) ausstößt.
  • Erdgas ist außerdem ein effizienterer Brennstoff als Kohle, d.h. mit ihm kann die gleiche Energiemenge mit weniger Emissionen erzeugt werden.

Was sind die Nachteile von Erdgas?

  • Erdgas ist eine nicht erneuerbare Ressource, was bedeutet, dass sie irgendwann zur Neige gehen wird.
  • Auch wenn Erdgas weniger CO2 ausstößt als andere fossile Brennstoffe es ist aber immer noch ein Treibhausgas und trägt zum Klimawandel bei.
  • Fracking, auch Hydraulic Fracturing genannt, ist ein Verfahren, mit dem Erdgas aus dem Boden gewonnen wird. Dieses Verfahren kann negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, wie z.B. Wasser-und Luftverschmutzung.

Was ist der Grenzübergangspreis?

Der Grenzübergangspreis repräsentiert den Preis des Erdgases an den deutschen Grenzen. Von Januar bis August im Jahr 2022 betrug der Wert des importierten Erdgases an der deutschen Grenze 19.383 Euro je Terajoule. Im Jahr 2021 belief sich der Wert auf 7.067 Euro. Seinen historischen Höchststand hatte der Grenzübergangspreis zuletzt im Jahr 2012 mit einem Wert von 8.061 Euro je Terajoule (Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)).

Was sagt der Speicherfüllstand aus?

Der Speicherfüllstand ist die Menge an Gas, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Gasspeichern verfügbar ist. Je höher der Speicherstand ist, desto größer ist die Versorgungssicherheit. In Zeiten niedriger Speicherstände besteht dagegen die Gefahr von Preissteigerungen und Versorgungsengpässen. Die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland sind im Laufe eines Jahres, bzw. einer Heizperiode, deutlichen Schwankungen unterworfen. Aktuell sind die Gasspeicher zu 87,96 Prozent gefüllt (Stand 17.12.2022) (Quelle: Bundesnetzagentur).


Wie viel Erdgas braucht Deutschland im Jahr?

In vielen Ländern ist Erdgas ein wichtiger fossiler Brennstoff, der Wärme oder Strom liefert. Im Jahr 2020 verbrauchte Deutschland zum Beispiel rund 86,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Allerdings steigt der Verbrauch im Winter wegen des erhöhten Heizbedarfs besonders stark an. In den ersten drei Monaten des Jahres 2021 war der Gasverbrauch in Deutschland sogar höher als im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres.

Wie hoch ist der Verbrauch nach Kategorien in Deutschland?

Der Verbrauch von Erdgas ist laut dem Branchenverband BDEW in Deutschland von Sektor zu Sektor sehr unterschiedlich. Der Industriesektor zum Beispiel verbrauchte 2021 rund 40 Prozent der Gesamtmenge, gefolgt vom Haushaltssektor mit rund 35 Prozent. Dies entspricht umgerechnet um die 306 Milliarden Kilowattstunden. Auf den Verkehrssektor und die Stromerzeugung entfallen dagegen nur jeweils etwa zwei Prozent.

Welche Alternativen zu Erdgas gibt es?

Heizen mit Erdgas ist nicht die einzige Option: Biomethan und Wasserstoff sind beides praktikable Alternativen. Die Arbeit an klimafreundlichen Lösungen ist im Gange und schreitet zügig voran, wobei der Schwerpunkt sowohl auf der nachhaltigen Erzeugung von gasförmigen Energieträgern als auch auf der Brennwerttechnik liegt. Im Stromsektor wird Erdgas allmählich durch erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie ersetzt; im Wärmesektor spielen erneuerbare Energien wie Biomasse und Geothermie jedoch noch eine relativ kleine Rolle. Eine Alternative zur Verwendung von Erdgas für Heizzwecke ist Flüssiggas (LNG).

Was ist Flüssiggas und wo entsteht es?

Flüssiggas (LNG= liquefied natural gas) ist ein Nebenprodukt der Rohölraffination und der Erdgasverarbeitung. Es besteht aus einer Mischung von Kohlenwasserstoffgasen, darunter Propan, Butan, Pentan und Hexan. Flüssiggas kommt in der Natur nicht in seiner reinen Form vor. Vielmehr entsteht das Propan-Butan-Gemisch als Nebenprodukt bei der Raffinierung von Erdöl und der Förderung von Erdgas.

Um als Kraftstoff verwendet werden zu können, muss LNG zunächst verarbeitet werden, um Verunreinigungen wie Wasser und Schwefel zu entfernen. Dieser Prozess reduziert das Volumen um das 600-fache und ermöglicht die Lagerung und den Transport des Energieträgers in großem Maßstab. LNG wird normalerweise mit großen Tankschiffen transportiert. Diese Schiffe sind speziell für den Transport von LNG konzipiert und gebaut. Die Flüssiggastanks auf diesen Schiffen sind isoliert und stehen unter Druck, damit das verflüssigte Gas nicht verdampft. LNG ist farblos, geruchlos und ungiftig. Und weil es wieder in einen gasförmigen Zustand umgewandelt werden kann, kann es überall dort eingesetzt werden, wo normales Erdgas verwendet wird.

Am häufigsten wird LNG als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge verwendet, es kann aber auch für den Betrieb von Haushalten und Unternehmen eingesetzt werden. Es wird auch in einer Reihe von industriellen Anwendungen eingesetzt.

Was sind Vorteile von Flüssiggas?

  • Verflüssigtes Erdgas ist geruchlos und ungiftig
  • LNG nimmt 600-mal weniger Platz ein als Erdgas in seiner gasförmigen Form, wodurch es leicht zu transportieren ist
  • LNG ist ein sauberer Kraftstoff, der weniger Emissionen verursacht als andere Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel
  • Es kann anstelle von normalem Erdgas in Haushalten und Unternehmen verwendet werden.

Was sind Nachteile von Flüssiggas?

  • LNG ist ein fossiler Brennstoff und seine Verwendung trägt daher zu einem erhöhten CO2 Ausstoß und Treibhausgasemissionen bei
  • Der Verflüssigungsprozess ist energieintensiv, wodurch LNG teurer ist als Erdgas in seiner gasförmigen Form
  • Die LNG-Infrastruktur ist teuer, was es schwierig macht, neue Märkte für den Kraftstoff zu erschließen

Woher bekommt Deutschland sein Flüssiggas?

Der größte Teil des in Deutschland verbrauchten Flüssiggases wird im Inland raffiniert, während der Rest aus Ländern wie der europäischen Nordseeregion, Amerika, Skandinavien und Nachbarländern wie Belgien und den Niederlanden importiert wird.

Rohgas wird über ein gut ausgebautes Gasnetz, bestehend aus rund 38.000 Kilometern Pipelines, nach Deutschland transportiert. Das Gas wird dann in speziellen Anlagen verflüssigt und in Tanks gelagert, bis es gebraucht wird.

Wie unterscheidet sich Flüssiggas von Erdgas?

Erdgas besteht aus Methan, während Flüssiggas (LNG) ein Gemisch aus Butan und Propan ist. LNG wird als Flüssigkeit gelagert, während Erdgas in der Regel als komprimiertes Gas gelagert wird. Flüssiggas ist außerdem brennbar, Erdgas dagegen nicht. Flüssiggas ist ein fossiler Brennstoff, während Erdgas erneuerbar ist. Flüssiggas wird in Erdölvorkommen gefunden, während Erdgas in Methanvorkommen vorkommt. Flüssiggas wird in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, z. B. zum Kochen, Heizen und als Kraftstoff für Fahrzeuge. Erdgas wird ebenfalls für diese Zwecke sowie für die Stromerzeugung verwendet.

Kann Flüssiggas Erdgas ersetzen?

Deutschland ist der größte Erdgasverbraucher in der EU, aber es gibt kein einziges LNG-Terminal auf deutschem Boden. Die Versorgungsunternehmen müssen ihr Flüssiggas an Terminals in Zeebrugge (Belgien), Dünkirchen (Frankreich) oder Gate (Niederlande) liefern lassen, wenn sie es nutzen wollen. Die Terminals in Stade und Brunsbüttel wären ohnehin erst in einigen Jahren einsatzbereit. Dies impliziert, dass Flüssiggass zum derzeitigen Stand einen Importstopp von russischem Erdgas nicht ausgleichen könnte.

Häufig gestellte Fragen

Was kostet 1 Liter Flüssiggas aktuell?

Die aktuellen Flüssiggaspreise belaufen sich auf etwa 75,75 Cent  (inkl. MwSt.) pro Liter (Stand: 25.11.2022).

Ist Flüssiggas billiger als Erdgas?

Nein. Tendenziell liegt der Preis für Flüssiggas über dem für Erdgas.

Ist Flüssiggas gleich Erdgas?

Nein. Flüssiggas ist ein Gemisch aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen, während Erdgas fast ausschließlich aus Methan besteht.

Was ist besser Erdgas oder Flüssiggas?

Flüssiggas hat nicht nur einen höheren Heiz- und Brennwert als Erdgas, sondern ist auch effizienter. Das bedeutet, dass weniger Flüssiggas benötigt wird, um die gleiche Energiemenge wie Erdgas zu erzeugen.


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